Der Rest dieses Törns sollte eine kleine Reise in die Vergangenheit werden. Ich wollte mit Jane nach Middelfart segeln, wo sie 63 Jahre zuvor gebaut wurde. Ausserdem wollte ich mit Sønderborg, Assens und vielleicht Aabenraa einige Orte besuchen, an denen ich während meines ersten Segeltörns, einer Klassenfahrt in der 10. Klasse, einmal war.
Der erste Tag mit Ziel Sønderborg lieferte Sonnenschein und leichten Wind. Schönstes Barfußsegeln war also angesagt. In der Flensburger Außenförde ging mir allerding der Wind aus und ich dümpelte etwa anderthalb Stunden vor mich hin, konnte die Seele baumeln lassen und die weiß-rote Tonne nördlich Kalkgrund von allen Seiten bewundern – bis ein Blick nach Süden mich aufschreckte. Eine finstere Front zog auf. Also Aussenborder angeschmissen und schnell Richtung Sønderborg. Als dann der Regen und die ersten Böhen über mich herfielen war es mal wieder soweit, dass ich mich fragte, was ich hier eigentlich mache. Irgendwie geht es mir zu Beginn eines Einhandtörns immer so. Vermutlich habe ich letztlich die schlechteste aller Optionen gewählt und habe den Yachthafen von Sønderborg angelaufen. Im Stadthafen hätte das Schloß einen schönen Schutz geliefert und das vorgelagerte Kegnæs hätte in Høruphav Schutz versprochen. Aber es kam ja nicht so schlimm und so habe ich einen herrlichen Abend an Bord eines Seefahrtkreuzers verbracht dessen Eignerpärchen mich zum Abendessen einlud.
Der folgende Tag sollte mich nach Assens bringen. Dort endete 24 Jahre zuvor während der Klassenfahrt die Fahrrad-Etappe die meine Gruppe von Sønderborg über Haderlev, Kolding und Middelfart ans Ziel führte. Vermutlich war ich war ich nach drei Tagen und 180 Kilometern mit Gepäck zu erschöpft, um noch viel wahrzunehmen- jedenfalls habe ich nichts wiedererkannt und Erinnerungen kamen auch nicht auf.
Das große Ziel war aber ja der Ort an dem 1950 ein Folkeboot namens Jane aus dem Werftschuppen geschoben wurde.
Für Middelfart war ein Treffen mit Jens Lautrup, dem Betreiber der dänischen Folkeboot-Datenbank geplant, zumindest hatte ich Jane und mich angekündigt. Allerdings wusste ich nicht wo und wie wir uns treffen würden. Typisch deutsch habe ich mir mal wieder zuviele Sorgen gemacht und zuviel planen wollen. Jens Lautrup hatte mich unter der alten Kleiner-Belt-Brücke aufkreuzen sehen und erwartete mich bereits im Stadthafen als ich dort ankam. Nachdem er mir einen Platz an der Slipbahn der Werft zugewiesen hatte und wir uns kurz bekannt gemacht hatten, bat ich ihn an Bord und wir erzählten uns von Lind, seiner Werft und von Jane.
Daber erfuhr ich ein interessante Detail über Jane das mir bis dahin, obwohl offensichtlich, garnicht aufgefallen war. Jens hatte auf dem Weg zum Hafen den ehemaligen Besitzer der Lillebælt-Værftet getroffen, bei dessen Vater Lind in die Lehre gegangen war. Von ihm erfuhr Jens, dass Lind anfangs skeptisch war, dass die klassenübliche Vernietung der Planken mit zwei Nieten pro Spantenabstand hinreichend stabil sei. So baute Lind sein erstes Folkeboot mit drei Nieten pro Spantenabstand.
Nach einem Abend beim Middelfart Jazz Festival, das eher ein Dixie-Festival ist, machte ich mich auf den Rückweg. Die erste Etappe führte mich bei Leichtwind und Strom gegenan nach Aarø, wo ich in einem vollen Hafen noch eine halbe Box für Jane ergatterte. Nach einem kleinen Spaziergang und einem schnellen Abendessen ging es früh in die Koje. Für den nächsten Tag hatte ich angepeilt wieder in Arnis zu sein, um noch einen Abend mit Nick zu verbringen und ohne Stress am letzten Tag das Boot aufzuklaren und die Heimreise antreten zu können.
Bei reichlich Wind aus Süd-Ost wurde daraus ein beschwerlicher Schlag gegenan. Um ca. 23:00h fiel ich vor Schleimünde auf einen Vor-wind-Kurs ab und wurde mit beängstigender Geschwindigkeit von Wind und vor allem Welle in die Schlei getragen. Da die letzte Brückenöffnung in Kappeln um diese Zeit bereits vorbei war, suchte ich mir bei Henningsen & Steckmest einen Platz für die Nacht. Nach ca 20 Stunden an der Pinne war ich hinreichend fertig und schaffte nicht mal mehr die 0,33er Flasche Flens zu leeren, die ich mir zur Belohnung aufgemacht hatte.
Am folgenden Tag endete meine Reise nach pragmatischer Fahrt unter Motor um ca. 11:30h in Arnis. Den langen Schlag vom Vortag hatte ich noch immer in den Knochen, aber eine interessante Reise in meine und vor allem Janes Vergangenheit im Kopf.